Vor kurzem wurden wir von der Fachzeitschrift acquisa gefragt, warum immer mehr B2B-Unternehmen die Richtung Direktvertrieb (z.B. via E-Commerce) ansteuern – selbst solche, die über Jahrzehnte mit indirekten Partnern zusammengearbeitet haben. Das führt nicht selten zu großen Problemen. Etwa beim Pricing, wenn im eigenen Online-Shop die Ware plötzlich billiger angeboten wird.
Redaktion acquisa:
Warum schwenken einige Unternehmen überhaupt auf den Direktvertrieb um?
Mischa Wolfframm/communicode:
In vielen Branchen erwarten Konsumenten den Direktvertrieb vom Hersteller. Der Hersteller ist sowieso eine der ersten Anlaufstellen zur Informationsbeschaffung im Rahmen seiner Customer Journey. Hier erwartet er nicht nur die besten Informationen aus erster Hand, sondern auch die direkte Kaufmöglichkeit bei der Marke bzw. Produktes seines Vertrauens. Fehlen diese Merkmale, irritiert dies den Konsumenten und macht die Marke unglaubwürdig und letztlich austauschbar. Der Direktvertrieb ermöglicht wiederum für die Unternehmen den heutzutage wichtigen „direkten Draht zum Kunden“, der mehr Kunden-Insights, mehr Markenbindung, Reputation und Gewinnspannen verspricht. Des Weiteren können Hersteller – weit mehr und besser als Händler – neue und einzigartige Content-, Einkaufs-, Service- und Support-, sowie Produkterlebnisse umsetzen, welche die Markenattraktivität und auch -bekanntheit zusätzlich steigern und Möglichkeiten bieten, sich von anderen abzuheben. Das fängt z.B. bei personalisierten Produkten und Produkt-Konfiguratoren an und endet noch lange nicht mit Augmented Shopping und Curated Shopping.
Redaktion acquisa:
Wo liegen die Probleme? A) Für die Unternehmen selbst? B) Für die Partner?
Mischa Wolfframm/communicode:
Natürlich sind für Unternehmen notwendige Anpassungen von Prozessen und der Organisations-Infrastruktur nötig. Einige Herstellerunternehmen haben auch wenig Erfahrung im direkten Kundenkontakt – aber es gibt auch Dienstleister wie wir, die Unternehmen in diesen Punkten mit Beratung und Technik tatkräftig unterstützen. Vielfach sind Vertriebspartner natürlich nicht begeistert, wenn Hersteller Ihren eigenen Direktvertrieb aufbauen und befürchten Umsatzrückgänge mit den Herstellerprodukten. Auf der anderen Seite könnte aber auch die zusätzliche einhergehende Vermarktung und die Kaufoption direkt beim Hersteller Käufe über andere Kanäle forcieren, denn letztendlich ist auch der Preis und eine große Auswahl unterschiedlicher Marken innerhalb eines Shop´s für den Verbraucher entscheidend. Auf jeden Fall ist eine Einbindung in die Gesamtstrategie und eine hohe Kommunikationsfähigkeit und Transparenz zwischen beiden Parteien vonnöten, um für alle Beteiligten Vorteile aus diesen Schritten zu ziehen.
Redaktion acquisa:
Was hat die Ausrichtung in Richtung Direktvertrieb für Folgen für das Unternehmen?
Mischa Wolfframm/communicode:
Vielfach müssen Herstellerunternehmen bereits jetzt schon Ihre Produkt- und Marketinginformationen im Griff haben für Ihre Vertriebspartner, was aber auch oft bedeutet, dass diese Informationen dann über die Kanäle nicht mehr unique sind und so wenig Mehrwerte für den Verbraucher bieten. Hier sollten daher die Herstellerunternehmen mit Produkt-Informations-Management zuerst ansetzen. Auch die nötige eigene Werbung wird so von Grund auf erheblich erleichtert und weitere Unternehmensentscheidungen und Ausrichtungen möglich gemacht – beispielsweise die schrittweise internationale Ausrichtung in mehreren Sprachen. Auch Änderungen bei der Liefer-Logistic, wie Beispielsweise kleinere Liefergrößen und höhere Umschläge sind Folgen, auf die sich das Unternehmen neu einstellen muss.
Redaktion acquisa:
Wie gehen die Firmen solche Projekte an? Worauf müssen sie achten etc.
Mischa Wolfframm/communicode:
Unternehmen sollten sich realistische Ziele in Etappen setzen. Es ist besser, in kleineren Schritten die großen Ideen umzusetzen und sich auf dem Weg dahin nicht ablenken zu lassen. Der Weg ist das Ziel. Damit der Weg nicht zu einem Hindernislauf für das gesamte Unternehmen wird, müssen Betriebskonzepte aufgesetzt werden und Prozesse definiert werden. Es müssen interne Vollzeitressourcen allokiert werden und involvierte Benutzer müssen für die neuen Prozesse und die Software trainiert werden. Dann ist natürlich auch die geeignete Auswahl von Dienstleistern und Systemen ein wichtiger Punkt.
Redaktion acquisa:
Sehen Sie diese Tendenz verstärkt auch in der Zukunft?
Mischa Wolfframm/communicode:
Ja. Marken-Unternehmen erkennen die Notwendigkeit dass Sie im Rahmen Ihrer eigenen Digitalen Transformation verstärkt Kontrolle über Kundeninformationen, Produkt-Daten, Prozesse und Kanäle erhalten und auch immer weiter anstreben müssen. Je früher desto besser. Irgendwann wird sonst die Lernkurve zu hoch für das Unternehmen.