Agil zu sein, ist gerade Trend. Schnelle Entwicklungen und Projektumsetzungen ermöglichen Unternehmen , dass sie flexibel auf verändernde Markt-Bedingungen reagieren. Nur so können sie sich auf Dauer effektiv und nachhaltig weiterentwickeln. Allerdings erwarten viele Unternehmen schon nach kurzer Zeit ein Wunder.
Die Nutzung agiler Prozess- und Entwicklungsmethoden, wie beispielsweise Xtreme Programming, Scrum, iterative Softwareentwicklung oder Kanban kann in einem Unternehmen jedoch nicht punktuell eingesetzt werden, sondern erfordert ein gemeinsames Commitment aller Beteiligten.
Agil zu sein geht einher mit dem Verständnis über die Methoden und zwangsläufigen Änderungen von althergebrachten Abläufen im gesamten Unternehmen. Natürlich ist die agile Entwicklungsmethode kein Allheilmittel für alle Probleme. Wenn Sie jedoch dauerhaft wettbewerbsfähig bleiben wollen, sollten Sie sich auf diese Veränderungen einlassen! Denn durch den Einsatz agiler Methoden können große Erfolge erzielt werden, wenn alle an einem Strang ziehen und hinter der Methode stehen. Aber was verändert sich denn durch Agilität und welche Voraussetzungen müssen im Unternehmen gegeben sein?
Gemeinsames Verständnis
Je nach Standpunkt und Blickwinkel des einzelnen kann das Wort „agil“ viele Ausprägungen haben, was wiederum die jeweilige Vorstellung zum Thema, Ablauf und Nutzen prägt. Für den einen bedeutet es schlicht Schnelligkeit und für den anderen eher planlose Ad-Hoc Maßnahmen und blinder Aktionismus. Dazwischen gibt es eine breite Spanne von Missverständnissen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sämtliche involvierte Personen beim Kunden und Dienstleister das gleiche Verständnis von der Methode haben. Nur so kann ein Projekt gelingen. Deshalb sollte das ganze Team in einem gemeinsamen Kick-off-Workshop geschult werden. Idealerweise dient der Workshop auch dazu, einen ersten Wurf die Ziele und die Vision für alle Beteiligten festzuhalten und bereits erste To-Do´s und Ideen in einem gemeinsamen Pool – dem Backlog – zu sammeln.
Enge Zusammenarbeit zwischen Kunde und Dienstleister
Persönlicher Kontakt und die direkte Kommunikation sind durch nichts zu ersetzen. Durch den persönlichen Kontakt lassen sich nicht nur Missverständnisse und damit Eskalationsmeetings vermeiden, es wird auch ein Teamgefühl erzeugt, das dem Projekterfolg zu Gute kommt. Eine enge Zusammenarbeit ermöglicht direkte Absprachen und vermeidet durch kurze Kommunikationswege und schnelle Entscheidungen Verzögerungen im Projektablauf. Erfolgt die Kommunikation überwiegend per Email, sind Missverständnisse vorprogrammiert. Manchmal ist es nicht möglich, dass alle Projektbeteiligten an einem Tisch sitzen und deshalb Videokonferenzen eingesetzt werden müssen. Die Erfahrung zeigt, dass solche technischen Hilfsmittel immer nur eine „Krücke“ sind. Zumindest, wenn es um die wichtigsten Meetings geht wie Planning oder Review.
Gemeinsame Planung vermeidet Missverständnisse
Ein weiterer wesentlicher Faktor, der zu mehr Transparenz führt, ist die gemeinsame Planung: Im Planning werden die User Stories gemeinsam im Team durchgesprochen und diskutiert. Alle Teammitglieder müssen wissen, wovon die Rede ist. Spätere Ausreden wie „Ich habe das aber anders verstanden“ oder „Der Kunde hat das nicht detailliert genug beschrieben“ gelten nicht. Im Planning werden die technischen Bedingungen, Abnahmekriterien und das Level of Done (wann ist eine User Story wirklich fertig) festgehalten. Am Ende wissen also alle Mitglieder, was wie umgesetzt werden muss. Verständnisfragen oder Missverständnisse werden bereits im Voraus geklärt und nicht erst im Laufe des Entwicklungsabschnittes (Sprint) oder schlimmstenfalls bei der Abschlusspräsentation vor dem Kunden.
Transparenz schaffen – Verantwortung übernehmen
Wie in jedem Projekt ist Transparenz enorm wichtig. Eine goldene Regel bei agilen Methoden ist, dass Impediments (alle Hindernisse, die das Projekt beeinträchtigen) sofort für jeden sichtbar gemacht werden müssen. Kommt es also zu Verzögerungen oder Blockierungen im Sprint, werden diese Hindernisse nicht unter den Tisch gekehrt, in der Hoffnung, dass niemand es bemerkt, sondern offen kommuniziert und nach Lösungen gesucht. Damit können die Auswirkungen sofort besprochen und Maßnahmen kurzfristig eingeleitet werden. Im Gegensatz dazu stehen endlose lange Wasserfall-Projekte: Hier kommt am Ende oftmals der große Knall, wenn deutlich wird, welche Probleme während des Projektes vertuscht wurden.
Inspect and Adapt
Eines der Grundprinzipien von Agilität und ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist „Inspect and Adapt“: Bei der agilen Arbeitsweise prüft (inspect) das Team immer wieder, was wie erreicht wurde und ob es Verbesserungspotenzial (adapt) gibt. Durch die kurzen Feedbackschleifen und die Tests während eines Sprints können Fehler frühzeitig erkannt und behoben werden. Es wäre doch ärgerlich, wenn erst nach mehreren Monaten erkannt wird, dass wichtige Features nicht korrekt funktionieren, oder? Schließlich schmeckt ein Koch doch auch die Suppe zwischendurch ab, damit er am Ende seinen Gästen keine versalzene Kost reichen muss.
Im Fokus von „Inspect and Adapt“ steht klar, dass Fehler rechtzeitig erkannt und Lösungen gefunden werden. Das Wissen wird im Team weitergegeben und die Erfahrungen aus dem letzten Sprint fließen direkt in die Planung des nächsten Sprints ein. So können Fehler frühzeitig vorhergesehen oder bestenfalls direkt vermieden werden. Im Gegensatz zu klassischen Wasserfall-Projekten steht am Ende eine vollständige und vor allem mehrfach getestete Software.
Folgende Fragen sollten Sie sich immer wieder während Ihres Projektes stellen: Sind alle wichtigen User Storys im Sprint eingeplant? Sind wir noch auf Kurs zu unserem Ziel und unserer Vision? Sind Schwierigkeiten zu erwarten, wenn wir das genauso machen – oder können wir jetzt die Weichen stellen, um absehbaren Stolpersteinen auf dem Weg zum Ziel auszuweichen?
Wissenstransfer fördern
Einzelne Wissensinseln sind bei Scrum tabu. Jedes Teammitglied muss zu jedem Zeitpunkt auf dem neuesten Stand sein und beispielsweise im Krankheitsfall ein anderes Teammitglied vertreten können. Die zahlreichen regelmäßigen Meetings fördern den Wissenstransfer und die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit. Jeder muss über seine eigene Abteilung hinaussehen und ein Verständnis für Schwierigkeiten, Anforderungen und Abläufe in anderen Abteilungen bekommen. Durch gemeinsame Diskussionen innerhalb der interdisziplinär zusammengestellten Teams wird zum Nachdenken angeregt und gemeinsam nach neuen Lösungen gesucht. Ideen werden gemeinsam diskutiert und Wissen weitergegeben. So wird verhindert, dass einzelne Know-How-Träger Spezialwissen haben und durch den Ausfall einzelner Teammitglieder der Sprint in Gefahr gerät und nicht an Zielen und Visionen oder an wichtigen Aspekten vorbeikonzipiert wird.
Konstantes Team
Eine Grundvoraussetzung für den Erfolg ist, dass ein festes Team kontinuierlich an den Sprints arbeitet. Denn über die Sprints hinweg lernt sich das Team nicht nur gegenseitig besser kennen, sondern auch den Kunden und die eingesetzten Technologien. Gemeinsames Lernen, aber vor allem auch gemeinsames Scheitern stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Ein gut eingespieltes Team, das die jeweiligen Stärken und Schwächen des anderen kennt, ist der Schlüssel zum Erfolg. Ein weiterer Pluspunkt von agilen Methoden ist, dass jedes Teammitglied gleichberechtigt ist: Jeder Mitarbeiter hat eine Stimme und seine Ideen werden angehört und diskutiert. Das steigert nicht nur das Selbstbewusstsein der Mitarbeiter, sondern auch seine Verbundenheit mit dem Projekt: Und wer will nicht immer nur das Beste für „sein Baby“?
Natürlich müssen Sie bei der Team-Zusammensetzung auf die jeweiligen Fähigkeiten der Teammitglieder achten und diese gezielt einsetzen. Und seien Sie sich auch bewusst, dass nicht jeder Mitarbeiter von einer agilen Arbeitsweise überzeugt sein wird. Dies müssen Sie jedoch rechtzeitig erkennen und Maßnahmen (bspw. persönliches Coaching) ergreifen, um zu vermeiden, dass das Team ausgebremst wird.
Stetige Evaluation des IST-Zustands
Nur durch die stetige Überprüfung des aktuellen Standes entsteht am Ende eine vollständig getestete Software. Stetige Feedback-Schleifen ermöglichen zeitnahes Reagieren auf nötige Veränderungen und neue Anforderungen. Während früher streng nach Vorgabe Lastenhefte abgearbeitet wurden, deren Inhalte teilweise schon zu Beginn des Projektes wieder veraltet waren, wird im agilen Prozess stets die Frage gestellt, welchen Nutzen und Mehrwert eine User Story hat. Im Bedarfsfall wird eine Story gestrichen oder umgeschrieben. Was nützt Ihren Kunden beispielsweise ein optisch perfekt gestalteter Online-Shop, wenn die Filterfunktionen nicht korrekt funktionieren oder wichtige Bezahlfunktionen nicht integriert wurden?
Damit Erfolg nicht zum Misserfolg wird
Verwechseln Sie Agilität nicht mit bedingungsloser Flexibilität oder Planlosigkeit, so profitieren Sie von zahlreichen Vorteilen bei der Projektumsetzung. Allerdings ist es dringend notwendig, dass das ganze Unternehmen die Regeln verinnerlicht hat und hinter der Methode steht. Ansonsten kommt es zu Missverständnissen und Problemen, die den Erfolg zum Misserfolg umkehren können. Agil zu sein, ist gerade Trend. Schnelle Entwicklungen und Projektumsetzungen ermöglichen Unternehmen, dass sie flexibel auf verändernde Markt-Bedingungen reagieren. Nur so können sie sich auf Dauer effektiv und nachhaltig weiterentwickeln. Allerdings erwarten viele Unternehmen schon nach kurzer Zeit ein Wunder.