Jede Anpassung einer IT-Architekturstrategie sollte entsprechend immer einem unternehmerischen Zweck folgen. Eine geplante Veränderung dient damit dem Ziel, wettbewerbsfähig zu bleiben und seine Marke (noch) besser am Markt positionieren zu können. Keinesfalls darf die Begründung jedoch sein, dass es andere Marktteilnehmer auch so machen oder System XY gerade en vogue ist. Vor diesem Hintergrund stellt dieser Artikel ein mögliches Szenario von vielen in Zusammenhang mit dem Support-Ende von SAP Commerce dar.
Warum monolithische Systeme an ihre Grenzen stoßen
Ein grundlegender Treiber ist die Weiterentwicklung des digitalen Handels. Technologischer Fortschritt und eine zunehmende Spezialisierung auf einzelne Prozesse des digitalen Handels hat die Anzahl der Technologieanbieter in den letzten Jahren sprunghaft ansteigen lassen. Wie die folgende Grafik von Statista zeigt, hat sich beispielsweise die Anzahl der Anbieter von Marketing Lösungen in den letzten 10 Jahren fast verfünfzehnfacht:
Die Integration solcher Systeme stellt Altsysteme zunehmend vor Herausforderungen, wenn es um die Integration und Orchestrierung mehrerer Applikationen geht.
Selbstverständlich existieren auch heute noch monolithische Commerce-Systeme, die sehr gut in die jeweiligen IT-Architekturen eines Unternehmens eingebunden sind. Paradoxerweise operieren diese Systeme deswegen noch, weil unterschiedliche Funktionalitäten der Plattform bereits frühzeitig ausgelagert worden sind. Nichtsdestotrotz sind diese nicht mehr benötigten Bereiche immer noch in der Plattform enthalten. Durch dieses Paradigma ergeben sich eine Reihe grundsätzlicher Nachteile solcher E-Commerce Systeme:
Mangelnde Flexibilität:
Monolithische Systeme bestehen aus einer einzigen, zusammenhängenden und oft “verschlossenen” Codebasis. Jede Änderung oder Anpassung in einem Bereich des Systems kann unvorhergesehene Auswirkungen auf andere Teile haben, was die Weiterentwicklung erschwert. Neue Features zu implementieren oder auf Marktveränderungen zu reagieren, wird so zu einer komplexen und zeitintensiven Aufgabe.
Begrenzte Skalierbarkeit:
Da alle Funktionen und Dienste in einem einzigen System integriert sind, kann die Skalierung eines Teils des Systems die Leistung des gesamten Systems beeinträchtigen. Dies führt oft zu Ineffizienzen und hohen Betriebskosten. Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter: Viele monolithische Plattformen sind proprietär und binden Unternehmen an einen bestimmten Anbieter. Das schränkt die Freiheit ein, die besten Technologien für spezifische Anforderungen zu wählen und führt häufig zu höheren Kosten.
Lange Entwicklungszyklen:
Aufgrund der Komplexität und der engen Verknüpfungen innerhalb des Systems dauern Entwicklungszyklen oft lange. Neue Funktionen, Bugfixes oder Updates können sich verzögern, was Unternehmen im Wettbewerb zurückwirft.
Wann sollte über eine architektonische Neuausrichtung nachgedacht werden?
Ein Merkmal monolithischer Systeme ist die zyklische Bereitstellung neuer Software-Versionen. Es ist dabei unerheblich, ob das System noch on-premise oder bereits in der Cloud des Herstellers gehostet wird. Durch den hohen Grad an Individualisierung bedeutet jedes Upgrade Zeit und Kosten für das Unternehmen, um das System aktuell zu halten. Mit jeder neuen Version, die neue - im Zweifelsfall gar nicht benötigte - Funktionalitäten in den Monolithen einbringt, wächst somit auch das Risiko eigene Anpassungen im Front- und Backend vornehmen zu müssen. Dies führt dann im schlimmsten Fall zu einer sinkenden Benutzerfreundlichkeit des Commerce Systems und Umsatzeinbußen. Jede eigene Entwicklung ist im Prinzip gegen die Standardprozesse des bestehenden Systems gerichtet, wodurch sich die Komplexität immer weiter erhöht. Der Service-orientierte Ansatz von Composable Commerce Plattformen setzt genau an dieser Stelle an.
Die Vorteile von Composable Commerce sind demzufolge:
Hohe Flexibilität:
Unternehmen können die besten Komponenten für ihre spezifischen Anforderungen auswählen und nahtlos integrieren. Dieser "Best-of-Breed"-Ansatz ermöglicht es, schnell auf Veränderungen zu reagieren und neue Technologien einzusetzen, ohne das gesamte System umbauen zu müssen.
Skalierbarkeit:
Da die einzelnen Komponenten unabhängig voneinander arbeiten, können sie individuell skaliert werden. Wenn z. B. der Traffic auf den Produktseiten steigt, kann nur dieser Teil des Systems skaliert werden, ohne den Rest zu beeinflussen. Unabhängigkeit von Anbietern: Durch die Nutzung offener Standards und APIs sind Unternehmen nicht länger an einen einzigen Anbieter gebunden. Sie können problemlos neue Lösungen integrieren oder bestehende Komponenten austauschen, ohne das gesamte System neu aufsetzen zu müssen.
Schnellere Innovationszyklen:
Dank der Modularität von Composable Commerce können Unternehmen neue Funktionen schneller implementieren. Änderungen in einer Komponente haben keinen Einfluss auf andere Teile des Systems, was die Entwicklungszyklen erheblich verkürzt.
Wie vollzieht sich die Neuausrichtung?
Der Übergang von einem monolithischen System zu einem Composable Commerce-Ansatz wird komplex sein. Der technische Entwicklungsaufwand im Altsystem spiegelt letztlich auch die Geschäftsprozesse eines Unternehmens wider. Oft verbergen sich in den Code-Tiefen des Systems jedoch auch noch Funktionalitäten von längst abgelösten und nicht mehr genutzten Prozessen. Um sicherzustellen, dass der Wechsel reibungslos verläuft, sollten Unternehmen folgende Best Practices berücksichtigen:
Priorisierung der Geschäftsanforderungen:
Identifizieren Sie die wichtigsten Funktionen Ihrer bestehenden Lösung und beginnen Sie mit der Migration der dazu gehörigen Komponenten, die den größten Einfluss auf das Geschäftsergebnis haben. Dadurch können Unternehmen schnell von den Vorteilen des neuen Systems profitieren, während die Migration der weniger kritischen Teile nach und nach erfolgt.
Make-or-Buy-Entscheidung einzelner Funktionen:
Durch das Herauslösen aus dem Monolithen stellt sich die Frage, ob die Funktionalität über einen externen Service bereitgestellt werden kann oder selbst entwickelt werden muss. Grundsätzlich gilt: Je individueller und bedeutender die einzelne Funktion für das E-Commerce Geschäft ist, desto eher sollte er selbst entwickelt werden.
Schrittweise Migration:
Anstatt das gesamte System auf einmal umzubauen, sollten Unternehmen schrittweise vorgehen. Anhand der priorisierten Geschäftsanforderungen ergibt sich eine Roadmap, anhand derer nur die jeweils relevanten Ressourcen angefordert werden können. Ein schrittweiser Ansatz ermöglicht es, Probleme frühzeitig zu identifizieren und zu beheben, bevor sie größere Auswirkungen haben.
Integration und Interoperabilität:
Stellen Sie sicher, dass die neuen Komponenten nahtlos in das bestehende System integriert werden können. API-gestützte Architekturen und Orchestration Engines sind hier entscheidend, um die Interoperabilität zwischen den verschiedenen Modulen zu gewährleisten.
Schulung und Change Management:
Ein Wechsel auf ein neues System erfordert nicht nur technische Anpassungen, sondern auch eine Umstellung der Arbeitsweise. Beginnen Sie frühzeitig damit, den Wechsel mit einem aktiven Change Management zu begleiten, um Widerstände zu minimieren und die Akzeptanz zu fördern.
Überwachung und Optimierung:
Nach der Migration ist es wichtig, die Leistung des neuen Systems kontinuierlich zu überwachen. Nutzen Sie Analysen und Metriken, um den Erfolg der Migration zu bewerten und um Bereiche zu identifizieren, die weiter optimiert werden können. Der vollständige “Big Bang” Wechsel zu einer Composable Commerce Lösung ist ein Szenario, welches an dieser Stelle nicht weiter verfolgt wird.
Fazit
Das Ende des Supports für SAP Commerce on-premise bietet Unternehmen die Gelegenheit, ihre E-Commerce Architektur zu überprüfen und strategische Entscheidungen zu treffen. Der Wechsel von einem monolithischen E-Commerce-System zu einem Composable Commerce-Ansatz bietet Unternehmen die Flexibilität, Skalierbarkeit und Innovationskraft, die in der heutigen Wettbewerbslandschaft unerlässlich sind.
Die Transformation berührt dabei nicht nur Technologie, sondern wirkt sich auf das gesamte Unternehmen und deren Prozesse aus. Durch eine schrittweise Migration können ein optimales Kosten-/Nutzen-Verhältnis geschaffen und Risiken minimiert werden. Auf lange Sicht bietet Composable Commerce eine zukunftssichere Plattform, die es Unternehmen ermöglicht, sich schnell an neue Marktanforderungen anzupassen und ihren Kunden stets die bestmögliche Erfahrung zu bieten.