Zukünftig soll Werbung anonymer und gruppenbezogen ausgespielt werden statt auf individuellen Interessen und Nutzerverhalten zu beruhen. Aber ist das wirklich effektiver und wird Werbung für Kunden dann nicht automatisch bedeutungslos? Schlechtere Klickraten und Conversions können damit einhergehen. Müssen eventuell andere Werbeformen das auffangen, was die Online-Werbung damit eventuell nicht mehr leisten kann?
Google hat als einer der größten Akteure im Tracking- und Werbegeschäft das Ende der cookiebezogenen Werbung eingeläutet. Doch bisher funktionieren Werbeanzeigen über persönliche Kundenprofile, die auf Basis von Third-Party-Cookies erstellt werden. Werbeinhalte können somit auf den Nutzer ausgerichtet und dieser mit persönlichen Werbebotschaften erreicht werden.
Digitale Privatsphäre als Treiber
Der große Suchmaschinenriese geht diesen Weg, den man durchaus als „Flucht nach vorn“ bezeichnen kann. Denn zugleich steht Google immer wieder in der Kritik, als große Datenkrake sämtliche nutzerbezogenen Informationen zu sammeln und daraus größtmögliche Gewinne, zum Beispiel durch personalisierte Werbeanzeigen und -platzierungen, abzuschöpfen. Doch gleichzeitig bringt diese Praxis auch Probleme. Nutzer wissen mittlerweile sehr genau um die Macht der Daten und möchten eigenständig entscheiden, wem welche personenbezogenen Informationen zur Verfügung gestellt werden. Ad-Blocker kommen bei vielen Nutzern zum Einsatz.
Die digitale Privatsphäre steht im Vordergrund und Google trägt dem Rechnung, indem zukünftig der Ansatz „Privacy first“ an erster Stelle steht. Die Kundenakzeptanz und Bereitschaft, Daten zu teilen, steigt, wenn ein Unternehmen wie Google transparent Daten erhebt und nur jene Daten speichert, die unabdingbar und von Relevanz sind. Es werden nicht sämtliche Informationen erhoben, die grundsätzlich speicherbar wären. Und wer nimmt für relevante Werbung schon gern in Kauf, dass nahezu sein gesamtes Verhalten im Web nachvollzogen wird?
Neue Spielregeln: Interessengruppen
Auch ohne persönliche Kundenprofile sowie Kunden und deren Interaktionen einzeln zu verfolgen, können erfolgreich Werbeanzeigen geschalten werden. Lediglich die Spielregeln für personalisierte Werbung werden geändert. Interessengruppen sorgen für relevante (wenn auch nicht 1:1-personalisierte) Werbung. Und dies ist gleichzeitig der Schlüssel für erfolgreiche Werbung: Indem Kunden weiterhin ihren Interessen entsprechende Produktempfehlungen ausgespielt bekommen.
Interessengruppen werden dabei nicht auf Basis eines einzelnen Nutzerverhaltens sondern mithilfe von Aggregation und Pseudonymisierung erhoben. Die Ausrichtung der Werbung an sogenannten Interessengruppen ermöglicht auch weiterhin eine auf den Nutzer zugeschnittene Werbung. Der Konzern setzt auf einen Ansatz namens „Federated Learning of Cohorts“, kurz FLoC. Dabei wird das Tracking in den Browser – statt wie bisher über Cookies - verlagert und in unscharfe Hash-Werte umgerechnet. Nutzer mit ähnlichen Interessen werden dabei einer Kohorte (Interessengruppe) zugeordnet und können anonymisiert angesprochen werden. Werbenetzwerke stellen dem Browser zukünftig mehrere Werbeanzeigen zur Verfügung. Der Browser wählt dann die zur jeweiligen Kohorte passende Werbeanzeige aus.
Ab April wird die veränderte Trackingmethode in die Praxis gehen, wenn Google eine neue Version seines Chrome-Browsers veröffentlicht, der mittlerweile der mit Abstand meistgenutzte Webbrowser weltweit ist.
Die Spielregeln und das Targeting werden sich ändern. Eine interessenbezogene Werbeschaltung wird auch zukünftig dazu führen, dass Nutzern relevante Werbeanzeigen eingeblendet werden. Die Privatsphäre der Nutzer soll dabei besser geschützt werden. Google selbst spricht in seinem Blog davon, dass mindestens 95 Prozent der Conversions pro ausgegebenem Dollar im Vergleich zu Cookie-basierter Werbung auch zukünftig erreicht werden.